Beschluss vom 20.06.2025 -
BVerwG 2 WD 18.25ECLI:DE:BVerwG:2025:200625B2WD18.25.0
Unzulässige Berufung zu Protokoll der Geschäftsstelle des Truppendienstgerichts
Leitsätze:
1. Eine Berufung gegen ein vor dem 1. April 2025 verkündetes Urteil des Truppendienstgerichts kann zwar zu Protokoll der Geschäftsstelle der Truppendienstkammer eingelegt werden. Die Berufungsbegründung im Sinne des § 116 Abs. 2 WDO in der Fassung vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3932) hat aber schriftlich zu erfolgen.
2. Die Berufungsbegründung gegen ein Urteil des Truppendienstgerichts muss sich mit den Urteilsgründen auseinandersetzen.
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Rechtsquellen
StPO § 317 WDO 2002 § 112 Satz 1, § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 und 2, §§ 117, 120 Abs. 1 Nr. 1 WDO 2025 §§ 117, 121 Abs. 2, § 143 Abs. 2 Satz 1, § 144 Abs. 5 Satz 2 -
Instanzenzug
TDG Süd 5. Kammer - 12.02.2025 - AZ: S 5 VL 9/22
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 20.06.2025 - 2 WD 18.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:200625B2WD18.25.0]
Beschluss
BVerwG 2 WD 18.25
- TDG Süd 5. Kammer - 12.02.2025 - AZ: S 5 VL 9/22
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke am 20. Juni 2025 beschlossen:
- Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 12. Februar 2025 wird verworfen.
- Der Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I
1 Der Soldat ist Stabsunteroffizier. Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat ihn mit Urteil vom 12. Februar 2025 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Unteroffiziers herabgesetzt und die Wiederbeförderungssperre auf zwei Jahre verkürzt. Das Urteil ist dem Soldaten am 26. Februar 2025 zugestellt worden.
2
Nach einer von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und dem Soldaten unterzeichneten "Niederschrift über die Einlegung einer Berufung" ist der Soldat dort am 26. März 2025 erschienen und hat erklärt:
"Ich möchte Berufung gegen das Urteil der 5. Kammer TDG Süd vom 12.02.2025, Az. S 5 VL 09/22, einlegen.
Begründung:
Mein Ziel ist es, Berufssoldat zu werden. Ich bin seit ... Jahren in meiner jetzigen Einheit und seit 2019 auf dem Dienstposten Gruppenführer eingesetzt. Eine Degradierung hätte zur Folge, dass ich auf dem Dienstposten nicht weiterverwendet werden könnte. Aufgrund der Degradierung und Beförderungssperre wird eine Laufbahnänderung als Berufssoldat voraussichtlich nicht mehr möglich sein. Ich möchte deshalb eine Maßnahmeänderung dahingehend beantragen, dass die Degradierung mit der Beförderungssperre in eine Bezügekürzung oder Disziplinarbuße umgewandelt wird. Ich würde anstatt der Beförderungssperre eine höhere Geldstrafe in Kauf nehmen."
3 Die Vorsitzende der Truppendienstkammer hat die Berufung als zulässig angesehen und sie der Wehrdisziplinaranwaltschaft übermittelt. Diese hat die Akten der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft zugeleitet, die sie dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und auf die Möglichkeit der Verwerfung der Berufung als unzulässig verwiesen hat.
4 Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II
5 Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen.
6 Da sie sich gegen ein Urteil richtet, das vor dem 1. April 2025 verkündet worden ist, sind gemäß § 151 Abs. 7 WDO in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung weiterer soldatenrechtlicher Vorschriften (3. WehrDiszNOG) vom 17. Dezember 2024 (BGBl. I Nr. 424) die §§ 115 bis 121 WDO in der zuletzt durch Gesetz vom 20. August 2021 (BGBl. I S. 3932) geänderten Fassung (WDO a. F.) anzuwenden.
7 1. Nach § 120 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 117 WDO a. F. kann das Bundesverwaltungsgericht die Berufung durch Beschluss als unzulässig verwerfen, wenn sie nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt ist. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 WDO a. F. ist die Berufung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Dies ist nach § 116 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 112 Satz 1 WDO a. F. schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Truppendienstgerichts möglich. § 116 Abs. 2 WDO a. F. verlangt zudem eine Berufungsschrift, in der das angefochtene Urteil bezeichnet sowie anzugeben ist, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden (Satz 1); die Anträge sind zu begründen (Satz 2). Dies hat innerhalb der Monatsfrist zu geschehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 1988 - 2 WDB 5.88 - BVerwGE 86, 10 <13>). Darauf ist der Soldat in der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden.
8 2. Diesen Vorgaben ist der Soldat nicht gerecht geworden.
9 a) Zwar hat er die Berufung fristgerecht am 26. März 2025 zu Protokoll der Geschäftsstelle der zuständigen Truppendienstkammer eingelegt. Er hat aber innerhalb der Monatsfrist die darüber hinaus erforderliche Berufungsschrift im Sinne des § 116 Abs. 2 Satz 1 WDO a. F. nicht eingereicht. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut "Berufungsschrift" folgt, dass diese in Schriftform einzureichen ist und im Gegensatz zur Einlegung der Berufung nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt werden kann. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Denn § 116 Abs. 2 WDO a. F. enthält im Gegensatz zu § 116 Abs. 1 WDO a. F. keinen Verweis auf § 112 WDO a. F. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 116 Abs. 1 WDO a. F., durch den Verweis auf § 112 WDO a. F. werde klargestellt, dass diese Formvorschriften "für die Einlegung der Berufung gelten" und dass demgegenüber Absatz 2 "den notwendigen Inhalt der Berufungsschrift" bezeichne (vgl. BT-Drs. VI/1834 S. 60). Dieses Auseinanderfallen der Formvorgaben hat der Gesetzgeber erst mit dem 3. WehrDiszNOG für ab dem 1. April 2025 verkündete Urteile beseitigt, indem er durch den Verweis in § 121 Abs. 2 WDO n. F. auf § 117 WDO n. F. die Möglichkeiten zur Einreichung der Berufungsbegründung den Regelungen zur Einlegung entsprechend erweitert hat (vgl. BT-Drs. 242/24 S. 119).
10 b) Ungeachtet dessen hat der Soldat die Berufung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 116 Abs. 2 Satz 2 WDO a. F. begründet.
11 Danach besteht für Berufungen gegen Urteile der Truppendienstgerichte - anders als für Berufungen gegen Strafurteile (vgl. § 317 StPO) – ein Begründungszwang. Dieser hat zum einen das Ziel, das Gericht und die anderen Verfahrensbeteiligten alsbald von den Angriffen des Berufungsführers gegen das angefochtene Urteil zu unterrichten, um eine zügige Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung sowie auch den anderen Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen, sich mit diesen Angriffen konkret auseinanderzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 2 WD 25.04 - S. 11). Zum anderen hat der Begründungszwang den Sinn, die leichtfertige Einlegung aussichtsloser Berufungen zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1982 - 2 WDB 5.82 - S. 3). Der Berufungsführer soll dazu angehalten werden, sich selbst darüber klar zu werden, was er konkret gegen das angefochtene Urteil einwenden kann (BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1974 - 2 WDB 13.74 - S. 4). Daher muss sich die Berufungsbegründung mit den Urteilsgründen auseinandersetzen (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 1988 - 2 WDB 5.88 - BVerwGE 86, 10 <12>). Durch die Notwendigkeit einer Begründung soll der Berufungsführer gezwungen werden, substantiierte Gegenausführungen zu machen und sich dabei ggf. selbst von der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels zu überzeugen (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1982 - 2 WDB 5.82 - S. 3). Daher muss er im Einzelnen ausführen, weshalb die Erwägungen des angefochtenen Urteils unrichtig sein sollen (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1982 - 2 WDB 5.82 - S. 3). Nicht hingegen genügt es, wenn er zum Ausdruck bringt, dass das Urteil im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme zu hart sei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1982 - 2 WDB 5.82 - S. 4).
12 Der Soldat hat sich nicht mit der Urteilsbegründung auseinandergesetzt. Er hat ausschließlich auf die Folgen der verhängten Disziplinarmaßnahme (keine Weiterverwendung auf dem Dienstposten und voraussichtlich keine Laufbahnänderung zum Berufssoldaten) verwiesen, aber nicht dargelegt, weshalb die Erwägungen des Truppendienstgerichts unrichtig sein sollten. Nach Ablauf der Monatsfrist ist auch keine nachträgliche Begründung mehr möglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2025 - 2 WD 13.25 - juris Rn. 9 m. w. N.).
13 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 Satz 1, § 144 Abs. 5 Satz 2 WDO n. F.